«36 Grad, und es wird noch heisser». Dieser Songtext wurde zwar für Berlin geschrieben, gilt aber auch für die Schweiz. Töpfe und Beete sind immer grösseren Herausforderungen ausgesetzt. Warme Winter, überraschende Kaltfröste, mal zu viel, dann zu wenig Wasser, und deutlich spürbar; es wird wärmer und extremer.
Es gibt zwei Strategien, die man verfolgen kann. Entweder man erhöht den Pflegeaufwand massiv, oder man passt Balkon und Garten an. Wir empfehlen Letzteres.
Mit gezielten Massnahmen kann man gute Grundsteine legen, damit das eigene Naturparadies gut «gerüstet» ist. Dazu muss man nicht auf einen Schlag den ganzen Aussenbereich verändern. Da ein Garten ohnehin stets im Wandel ist, kann vieles in den normalen Zyklus eingebaut oder bei neuen Pflanzenanschaffungen beachtet werden.
So kommt man fast nebenbei zum Klimagarten, und man hat mehr Zeit zum Geniessen. Dabei? Dann los!
Das Credo ist bekannt: Für die Biodiversität währt Einheimisches und Züchtungen daraus am längsten. Die Pflanzen sind an das lokale Klima angepasst und auch Insekten haben sich darauf spezialisiert – sowohl für die Nahrungsaufnahme als auch für die Fortpflanzung. Ohne einheimische Pflanzen können viele einheimische Tiere nicht überleben. Als einheimisch gilt alles, was bereits vor einem gewissen Stichdatum hier war. Das Datum ist je nach Definition ein anderes; die Ankunft von Kolumbus in Amerika im Jahr 1492 oder umfassende Pflanzenkartierungen im 18. Jahrhundert. Die Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Wildpflanzen bezeichnet Arten, die nach 1500 eingeführt wurden, als «Neophyten», also Neulinge.
Genau wie Landesgrenzen sind auch Stichdaten von Menschen gesetzt. Tiere und Pflanzen kennen diese Regeln nicht und wandern zudem immer. Ob sie hier «heimisch» werden, hängt nicht einfach davon ab, wie viele Jahre sie schon hier sind, sondern auch davon, wie gut sie sich in unsere Flora und Fauna einpassen. Und hierbei ist es zentral, ob wir sie lassen. Das bedingt meist, dass sie keine Gefahr für die Verteilung und Vielfalt bereits ansässiger Tiere und Pflanzen sind.
Lustiger Fakt: selbst das urschweizerische Edelweiss stammt ursprünglich aus Asien. Da es aber bereits nach der letzten Eiszeit hierher kam, gilt es als einheimisch.
Das ist jedoch schon lange her und das, was hier wächst und in diesem Sinne ebenfalls heimisch ist, verändert sich. Ändern sich die Rahmenbedingungen, wie etwa das Klima, ändern sich auch die «geeigneten» Arten und Sorten («regime shift»). Das heisst nicht, dass man alles bisher Geltende über Bord werfen soll, sondern dass man seinen Blickwinkel bezüglich geeigneter Pflanzen etwas erweitern darf.
Die Feige, ursprünglich aus dem östlichen Mittelmeerraum stammend, gedeiht mittlerweile dank winterharter Züchtungen auch in der Schweiz gut. Ihre Früchte bieten Vögeln Nahrung, und die für die Bestäubung essenzielle Feigenwespe sorgt für die Vermehrung von Schlupfwespen – wertvolle Nützlinge für den Garten.
Auch die Maulbeere, die ursprünglich aus China stammt, wurde schon zu Zeiten der Römer in den wärmeren Regionen Europas verbreitet. Während sie früher eine wichtige Rolle als Futterpflanze in der Seidenraupenzucht einnahm, wird sie heute als Klimabaum geschätzt. Sie trägt diesen Titel, da sie äusserst trockenheitsbeständig ist, mit Stadtklima bestens zurechtkommt, sehr winterhart ist und sich in den Schweizer Winter bestens einfügt. Ihre Beeren sind nicht nur für uns sehr schmackhaft, sondern bieten auch willkommene Vogelnahrung. Sie wächst gut im Topf und ist in einer Zwergform sogar für kleinere Gärten und Balkone geeignet. Somit ist sie ein gutes Beispiel dafür, dass aufgrund der klimatischen Veränderungen durchaus auch nicht einheimische Bäume einen verdienten Platz bei uns haben können.
Auch bei den immergrünen Hecken-Gehölzen gibt es eine grosse Auswahl mediterraner, trockenheitsverträglicher Pflanzen, die sich in Zukunft gut bei uns einleben könnten. Wie zum Beispiel die Steineichen, Kermeseichen oder die Breitblättrige und die Schmalblättrige Steinlinde. Da sie eng mit den einheimischen Arten verwandt sind, sollten sie sich gut in unser Ökosystem integrieren und profitieren von ihren Fähigkeiten, mit extremen Wetterphänomenen umgehen zu können.
Können an einem Standort genügend verschiedene einheimische Pflanzen und deren Züchtungen mit einem verhältnismässigen Pflegeaufwand gut gedeihen, kommen sie zum Zug. Ist das nicht möglich, sollten geeignete Alternativen aus dem nahen Ausland in Betracht gezogen werden. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als wenn gar nichts mehr wächst.
Da die Trockenperioden immer länger werden, ist es wichtig, dass der Boden das Wasser eine Zeitlang speichern kann. So muss nicht sofort bewässert werden, und die Bepflanzung überlebt trotzdem. Bodendecker helfen mit ihren Wurzeln gegen Bodenverdichtung und Erosion. Dadurch kann das Wasser gut aufgenommen werden. Durch ihre Bedeckung kann ausserdem übermässige Verdunstung verhindert werden.
Auch Moose haben hier eine grosse Bedeutung; sie speichern Wasser, kühlen, bieten unzählige Lebensräume und filtern Luft. Während in Asien ganze Moosgärten angelegt werden, wird hier das Potenzial des Schattenbesiedlers noch nicht voll ausgenutzt. Man kann Moose auch in Blumentöpfe legen bzw. anpflanzen, um die Erde vor Austrocknung zu schützen.
Grosse Rasenflächen sind nicht optimal für extremere Temperaturen und sehr pflegebedürftig. Sie können je nach Nutzung durch eine Blumenwiese ergänzt, ersetzt oder mit Kräutern robuster und nachhaltiger gestaltet werden. Mehr Infos zum Projekt, was sich als Rasenalternative anbietet, und wie man am besten vorgeht, findet sich schon bald auf der Seite «Rasenalternativen». Wenn Rasen, dann sollte er über den Sommer etwas länger stehen gelassen werden. Das macht ihn resistenter gegenüber Trockenheit.
Hecken bieten nicht nur fürs Auge etwas, sie geben Struktur in den Garten und setzen natürliche Grenzen. Zudem sind sie wichtige Windfänger. Eine gut angelegte Hecke schafft es, die Windgeschwindigkeit zu brechen (ohne den Wind ganz zu stoppen), und bietet Vögeln und Insekten einen guten Schutzraum. Das Laub kann zudem auf Beeten als Mulchschicht, als Schutz für Tiere und zusätzlichen Winterschutz im Garten verwendet werden. Im heissen Sommer spendet eine Hecke kühlen Schatten. (Mehr zu wertvollen Hecken findet sich hier).
Auch eine (saisonale) Streifenbepflanzung mit Mais, Sonnenblumen oder Stangenbohnen kann vor Wind schützen.
Grössere Schattenflächen gibt es durch Bäume. Sie regulieren das Klima, indem sie in Hitzeinseln Strahlung reflektieren, wertvollen Schatten spenden und zusätzlich durch Verdunstung kühlen. Jeder, der schon einmal an einem heissen Sommertag im Schatten eines Baums gesessen hat, weiss, wie wohltuend das ist – selbst im Vergleich zu einem Sonnensegel.
Anstelle eines dampfenden Kopfes beobachtet man aus dem Baumschatten heraus, wie luftige Wolken über den Himmel ziehen. Zudem gliedern Bäume den Garten, machen ihn abwechslungsreich, wirken als Luftfilter und bieten willkommene Lebensräume.
Massnahmen für den Klimagarten benötigen nicht immer viel Platz. Selbst bei kleinen Strukturen wie einem Zaun oder einer Mauer besteht Potenzial. Dies beginnt bei der Farbwahl (hellere Farben heizen sich weniger auf) und endet bei der Materialwahl (Holz heizt weniger auf als Kunststoff, Mauern aus Naturstein speichern Wärme, gleichen so Temperaturschwankungen aus, und können Feuchtigkeit speichern).
Ein schönes und sinnvolles Gartenprojekt ist auch, aus lebenden Weiden einen Zaun zu flechten. Dieser fügt sich nicht nur wunderbar ins Gartenbild, damit lassen sich auch Korridore für Wildtiere erhalten. Auch abgestorbenes Pflanzenmaterial gibt gute Zäune ab, wie zum Beispiel Hasel.
Besondere Künstler, nicht nur beim Senken der Umgebungstemperatur, sondern auch als Wasserspeicher bei Starkregen, sind begrünte Dächer und Fassaden. Ein mit einer «Pflanzenhülle» eingepacktes Gebäude (z.B. mit Wein, (Obst-)Spalieren oder Efeu) geniesst eine natürliche Temperaturregulierung, die sich nicht nur auf den Innenraum, sondern auch auf die unmittelbare Umgebung auswirkt.
Als mobiler Hitzeschutz können Schattiernetze in Hitzeperioden oder im Frühling in der Anwachsphase von Setzlingen gezielt montiert werden. Sie fungieren auch in einer Doppelfunktion als Hagelschutz für besonders zarte Pflänzchen.
Auch die Gartentiere müssen mit den sich verändernden Bedingungen klarkommen. Man kann ihnen dabei helfen, indem man einige unterstützende Strukturen anbietet.
Dazu zählen Wasserstellen für Kleinsäuger, Vögel oder Insekten. Im Frühling sollte man Ast- und Laubhaufen liegen lassen, bis kein Spätfrost mehr zu erwarten ist. Durch Hecken können Korridore und Ruheplätze geschaffen werden, um zusätzlichen Stress zu vermeiden.
An einem heissen Sommertag würde es keinem einfallen, noch zusätzlich zu heizen. Aufheizende Strukturen auf dem Grundstück werden aber noch viel zu wenig beachtet oder verhindert. Zu den Top 1 Einheizern gehören dunkle, versiegelte Flächen. Sie schaffen zusätzlichen Hitzestress bei warmem Wetter. Da sie kein Wasser speichern können, spielen sie einem auch bei anhaltender Trockenheit oder Starkregengüssen nicht in die Karten.
Um mit dem Klima umgehen zu können gilt; je weniger versiegelte Fläche, desto besser. Oft gibt es auf dem eigenen Grundstück noch Potenzial. Braucht es zum Beispiel eine breite Auffahrt, oder genügen zwei Fahrspuren für die Räder und dazwischen darf etwas wachsen? Kann der Belag durch etwas Durchlässigeres, wie Kiesbelag oder Rasengittersteine, ersetzt werden? Muss die Pflasterung geschlossen sein, oder bietet sich auch eine offene mit durchlässigen Fugen an?
Bei nicht entsiegelbaren Flächen wie Terrasse oder Balkon schaffen bepflanzte Töpfe und Tröge mit möglichst grossem Erdvolumen Abhilfe vor dem Aufheizen.
Die Versickerung des Regenwassers reichert nicht nur das Grundwasser an, sie dämmt auch Hochwasser und Überflutungen ein und ermöglicht die Bildung von Wasserreserven für die Pflanzen. Dazu braucht es unversiegelte Flächen - Drainagegräben oder Sickergruben helfen zusätzlich. Das bedeutet auch weniger Stress für uns, da wir uns weniger vor gefluteten Kellern oder vertrockneten Pflanzen fürchten müssen.
Wie eingangs erwähnt gilt, den eigenen Garten oder Balkon klimafit zu machen, geschieht nicht über Nacht, sondern ist ein fortlaufender Prozess. Aber einer, der sich definitiv lohnt. Streichen Sie sich jedes Jahr ein paar Punkte an, die Sie noch optimieren wollen, und entdecken Sie auch neue, kreative Wege. Spannende Entdeckungen und Gartenfreude sind garantiert!
Wie treten Sie dem Klima entgegen? Wirft das Thema bei Ihnen noch Fragen auf, oder haben Sie wertvolle Tipps für uns, was wir noch ergänzen können? Melde Sie sich bei uns.
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Moira hat es gerne warm, aber irgendwann ist dann auch einmal genug. Damit der schwarze Pelz ihrer Katze nicht zum Backofen wird, denkt sie viel über klimastabilisierende Massnahmen im eigenen Gärtlein nach. Und dachte sich, sie könne ja einmal teilen, was sie bisher herausgefunden hat.